Das sozialpädagogische Fanprojekt Babelsberg der Stiftung SPI hat die fußballfreie Zeit sinnvoll genutzt. In den vergangenen Monaten haben die Sozialarbeiter:innen des Fanprojekts mit 15 Jugendlichen einen Besuch in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers in Auschwitz intensiv geplant und vorbereitet. Aufgrund der Pandemie war lange unklar, ob die Fahrt stattfinden kann. Trotzdem entschied man sich gegen eine vorzeitige Absage der Fahrt. Durch die entspanntere Pandemie-Lage, konnte die Fahrt schließlich vom 24. Juni bis zum 28. Juni, wie geplant, stattfinden.
Die Fahrt wurde gefördert vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB gGmbH), welches vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) als Zentralstelle für Gedenkstättenfahrten anerkannt ist. Mit einem privaten Zuschuss förderte außerdem der Fußballspieler des SV Babelsberg 03 Daniel Frahn die Fahrt. Auf diese Weise konnte die Fahrt für die 15 Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren bezahlbar angeboten werden.
Die Fahrt wurde intensiv vorbereitet
Die Vorbereitung auf die eigentliche Fahrt begann bereits am 21. Mai 2021 mit einem Online-Vorbereitungs-Treffen. Bei diesem Treffen wurde mit den Jugendlichen das grundsätzliche Rahmenprogramm besprochen und man hat sich auf mögliche coronabedingte Einschränkungen vorbereitet. Ein zweites und vorwiegend inhaltliches Treffen fand am 22. Juni 2021 – also zwei Tage vor Beginn der Fahrt – statt. Bei diesem Treffen beschäftigte sich die Gruppe in einem mehrstündigen Seminar mit der Geschichte des Nationalsozialismus, mit dem 2. Weltkrieg, den deutsch-polnischen Beziehungen, der Rolle von Konzentrations- und Vernichtungslagern, sowie mit Antisemitismus.
Tag 1: Anreise und Ankunft
Nachdem die Gruppe sich inhaltlich und emotional auf die Fahrt eingestimmt hat, machte man sich am 24. Juni 2021 um 8:00 morgens auf den Weg nach Oświęcim in Polen. In dem Ort nahe der Gedenkorte (Auschwitz I und Auschwitz II – Birkenau) war die Gruppe in dem gemütlichen Hotel “Villa Astra” untergebracht. Dort stimmte man sich in einer abendlichen Reflexionsrunde noch einmal auf die erwarteten Erfahrungen ein und genoss das leckere Essen im Hotel-Restaurant.
Tag 2: Kinder und Jugendliche in Auschwitz
Der zweite Tag begann mit einem ausgewogenen Frühstück und einer Morgenrunde. Nachdem alle bereit dazu waren, machte man sich auf den Weg in die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz I, wo eine zweitägige Tour auf die Gruppe wartete. Ausgestattet mit Kopfhörern und einer Flasche Wasser betrat die Gruppe schließlich das Gelände. Schnell wurde allen klar, dass der Ort kein gewöhnliches Museum ist. Man schaute sich verschiedene Baracken an und betrat Orte des Schreckens, wie zum Beispiel die sogenannte “Schwarze Wand”, an der etwa 20.000 Menschen durch Erschießungen ums Leben kamen. In den Ausstellungen der Baracken bekamen die Teilnehmenden einen Vorgeschmack auf den zweiten Tag, an dem es nach Auschwitz-Birkenau gehen sollte. Besonders berührt waren viele Jugendlichen von Bergen aus Schuhen, Koffern oder Haaren, die den einst Inhaftierten und Ermordeten entnommen wurden. Ebenso emotional war eine “Shoah-Ausstellung”, die das jüdische Leben vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus gegenüberstellte.
Nach der vierstündigen Tour und einem Mittagessen, ging es im Bildungszentrum des Museums mit einem Workshop über Kinder und Jugendliche im ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager weiter. Die unvorstellbare Dimension der Verbrechen bekam hier Namen und Gesichter. Die Jugendlichen befassten sich mit den Biographien einzelner Kinder und Jugendlicher, die in Auschwitz größtenteils auf grauenvolle Weise ums Leben kamen oder medizinischen Experimenten zum Opfer fielen. Auch dieser zweite Tag endete mit einer Reflexionsrunde, in der alle Teilnehmenden ihre Eindrücke schilderten und verarbeiteten. Doch auch beim Abendessen und danach beschäftigte das Gesehene alle noch sehr.
Tag 3: Auschwitz-Birkenau
Der dritte Tag begann ähnlich wie der zweite Tag. Dieses Mal ging es allerdings zum ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II). Schon der erste Blick reichte aus, um zu erkennen, dass die Größe dieses Lagers mit keinem anderen Konzentrationslager vergleichbar ist. Die Gruppe ging entlang der Gleise zur sogenannten “Judenrampe”, von wo aus Millionen von Menschen – meist Jüd:innen – den direkten Weg in eine der vielen Gaskammern fanden. Die Trümmer der ehemaligen Gaskammern sind noch heute vorhanden. Es ging an Orte, wo die Asche der Opfer verstreut und gefunden wurde. Die Gruppe kam an den Stellen vorbei, an denen Menschenberge auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. Man besichtigte ehemalige “Kinderbaracken” und “Desinfektionsräume”, in welchen die Menschen nach ihrer Ankunft, mit dem Ziel der Entmenschlichung, im Lager desinfiziert, ausgezogen und kahlgeschoren wurden. Die Führung über das Gelände dauerte ca. vier Stunden. Dennoch hat die Zeit nicht ausgereicht, um das gesamte Gelände abzulaufen und ein endgültiges Gefühl für das Ausmaß der Verbrechen zu bekommen.
In der anschließenden Gesprächs- und Auswertungsrunde realisierten auch die meisten Teilnehmenden, dass das Ausmaß der Verbrechen weit über die menschliche Vorstellungskraft hinaus geht. Dennoch zeigten sich die meisten emotional berührt. Der dritte Tag endete mit der Weiterfahrt nach Krakau. In Krakau wartete die Unterkunft “Shalom Kazimierz” im jüdischen Stadtteil “Kazimierz” auf die Gruppe. Nach dem Abendessen in einem indischen Restaurant nutzten alle Teilnehmenden die freie Zeit, um das Viertel und seine Bars zu erkunden. Dennoch ging es am nächsten Morgen intensiv weiter im Programm.
Tag 4: Spaziergang durch das ehemalige Krakauer Ghetto
Die geplante Führung durch das ehemalige jüdische “Krakauer Ghetto” war am vierten Tag für 11 Uhr angesetzt. Leider erschien der Guide nicht wie geplant, so dass die Führung selbstständig und improvisiert durchgeführt musste. Da ein Freiwilliger der Gruppe schon beim Vorbereitungstreffen am 22. Juni zu dem Thema referierte und inhaltlich im Thema war, konnte man gemeinsam durch das ehemalige Gebiet laufen und sich über die Bedeutung von “Ghettos” während des Nationalsozialismus unterhalten.
Nach dem Spaziergang mit dem Themenschwerpunkt “Ghettos” und einer kurzen Mittagspause traf sich die Gruppe zu einem letzten inhaltlichen Workshop. In diesem abschließenden Workshop wurden die gesammelten Eindrücke und Erfahrungen noch einmal intensiv reflektiert und verarbeitet. Entlang der Fragen “Was beschäftigt mich?”, “Was nehme ich für die Zukunft mit?” und “Was hat mir gefehlt?” wurde die Fahrt ausgewertet.
Tag 5: Abreise
Beendet wurde der vierte Tag mit einem israelischen Abendessen in dem Restaurant “Hamsa”. Einen entspannten und gemeinsamen Abschluss gab es schließlich beim gemeinsamen Fußballschauen (EM Spiel: Belgien gegen Portugal) in einer Bar. Der fünfte und letzte Tag stand dann ganz im Zeichen der Abreise. Um 20:30 Uhr kehrte die Gruppe am 28. Juni zurück nach Babelsberg.
Das Fazit? Alle Teilnehmenden wurden durch die Erfahrungen definitiv nachhaltig beeinflusst und geprägt. Alle haben ein tiefgreifendes Verständnis für die strukturellen Zusammenhänge der Orte entwickelt, Wissen vertieft und wurden weiter für die Bedeutung von Demokratie sensibilisiert. Diese Fahrt hat sich definitiv gelohnt und sollte nicht die letzte dieser Art gewesen sein.
Die Fahrt wurde ermöglicht durch Fördergelder des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk.