Am 21. Dezember 2019 verstarb nach langer Krankheit im Alter von 88 Jahren der ehemalige Oberliga-Fußballer von Rotation Babelsberg sowie langjährige und hochgeschätzte Sportjournalist Günter Simon. Zwischen 1951 und 1958 bestritt Günter Simon für Rotation Babelsberg insgesamt 67 Meisterschaftsspiele in der DDR-Oberliga.
Günter Simon wurde am 26. März 1931 in Neupetershain in der Niederlausitz geboren. Früh verlor Simon seine sportbegeisterten Eltern durch Krankheit bzw. Krieg und wuchs als Vollwaise bei seiner Tante im benachbarten Drebkau bei Cottbus auf. Beim SC Corona Petershain von 1910 begann er mit dem Fußballspielen. Nach dem Krieg war er für die SG Drebkau, die SG Neupetershain sowie die BSG Traktor Markee aktiv und träumte als Jugendlicher von der Oberliga.
Nach einer Ausbildung zum Rechtsanwaltsgehilfen holte Günter Simon zunächst ab 1950 an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF) in Potsdam sein Abitur nach und spielte mit einer ABF-Mannschaft Anfang 1951 gegen die Oberliga-Mannschaft von Rotation Babelsberg. Obwohl die Babelsberger Oberliga-Fußballer der Studententruppe haushoch überlegen waren, überzeugte Simon den damaligen Babelsberger Trainer Ludwig Wieder – ehemaliger Auswahlspieler aus Nürnberg – derart, dass er ihm anbot, an den Babelsberger Park zu wechseln. Er kam im Jahr 1951 als 20jähriger zu seinem ersten Oberliga-Einsatz für Rotation. Am 2. September 1951 wurde er im Spiel auf dem Karl-Liebknecht-Sportplatz in Babelsberg gegen die SG Volkspolizei Dresden nach 65 Minuten für Horst Schlüter eingewechselt. Auch 1953/54 kam Simon zu einem Einsatz, diesmal gegen Lok Stendal. Ab 1954/55 (13 Einsätze) wurde er häufiger ins Spiel gebracht und kam schließlich vor allem unter Trainer Helmut Jacob (ab 1956) in insgesamt sechs Spielzeiten auf 67 Spiele (einschließlich Übergangsrunde 1955) in der höchsten Spielklasse der damaligen DDR.
Er zählte in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu den aufstrebenden Akteuren am Babelsberger Park. Beispielhaft beschrieb die Neue Fußball-Woche die Qualitäten Simons nach einem 3:0 Heimerfolg über den SC Rotation aus Leipzig am 04. Dezember 1955. Zur Halbzeit führte Babelsberg auf dem Karl-Liebknecht-Sportplatz vor 8.000 Zuschauern gegen den Namensvetter aus Leipzig durch Tore von Klaus Selignow und Hans Schöne, doch im zweiten Abschnitt kamen die Gäste stark auf. Die Fußball-Woche würdigte ihren späteren Chefredakteur: “Erhebliche Konditionsschwächen ließen die Gastgeber dann in der zweiten Halbzeit erkennen, nur die Routine der “Alten” Adam und Tietz und der Mann mit dem großen Kämpferherz, Simon, vereitelten Erfolge der Leipziger Gäste.” (Fuwo Nr. 48/55, 06.12.1955). 1957 kam Simon auf 23 von 26 möglichen Spieleinsätzen. 1958 bestritt Simon nochmals 17 Partien in der höchsten Spielklasse.
Am 21. September 1958 folgte das letzte Oberliga-Spiel mit Günter Simon für Rotation Babelsberg. Beim SC Motor Jena auf dem traditionsreichen Ernst-Abbe-Sportfeld unterlag Rotation 1:6. Die Jahre als aktiver Fußballer bei Rotation Babelsberg – an der Seite von solchen Fußballgrößen wie Karl-Heinz „Schrippe“ Schröder, Heinz „Schupo“ Tietz, Harry Adam oder Werner Gießler auf dem Platz zu stehen – bezeichnete der als Verteidiger oder Läufer eingesetzte Simon später als die schönste Zeit seines Lebens.
Nach dem Besuch der Arbeiter- und Bauern-Fakultät absolvierte Simon von 1952-1956 ein Germanistik-Studium an der Humboldt-Universität Berlin und arbeitete von 1956 bis 1961 als Lektor in der Dramaturgie der DEFA-Filmstudios in Babelsberg. Nach seiner aktiven Fußballerzeit bei Rotation wechselte Günter Simon ab 1961 in die schreibende Zunft und wurde Reporter für die in Berlin erscheinende „Neue Fußball-Woche“, den “´Kicker´ des Ostens”. So verbanden sich Hobby und Beruf ideal. Er pendelte mit dem “Sputnik” täglich fast drei Stunden je Richtung zwischen Potsdam und der Redaktion des Sportverlages in Berlin-Mitte.
Günter Simon galt auch vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen als aktiver Oberliga-Fußballer als ausgezeichneter Kenner der Fußball-Szene der DDR. Während seiner Zeit als Sportjournalist sah er zahlreiche große Fußball-Arenen auf der ganzen Welt, darunter auch das legendäre Wembley-Stadion in London. „Einer der Höhepunkte war für mich die Begleitung der DDR-Nationalmannschaft zur Fußball-WM 1974“, erzählt er 2003 den Potsdamer Neuesten Nachrichten. Der Diplom-Germanist verfasste zahlreiche Fachbücher über Fußball und war Mitautor aller zwischen 1962 und 1982 im Berliner Sportverlag erschienen WM- und EM-Bücher.
Günter Simon reiste mit den DDR-Oberliga-Clubs zu internationalen Spielen und berichtete schließlich über drei Jahrzehnte professionell und mit Leidenschaft. Dabei bewahrte er sich immer einen kritischen Blick. Er sah die politisch motivierte Bevorzugung des BFC Dynamo in den 1980er Jahren, die ihm missfiel. Und als er während seiner Zeit bei der FuWo das Schiedsrichterwesen der DDR thematisierte, wurde eine Auslandssperre (1985-89) gegen ihn verhängt. Dies hielt den Mann mit dem markanten Schnauzbart aber nicht von der Arbeit ab. 1987 brachte er gemeinsam mit Bernd Rohr das „Lexikon Fußball“ heraus. Es galt als eines der Standard-Nachschlagewerke des Fußballsports mit mehr als 5.000 Stichworten zum Regelwerk, zu Verbänden, Wettbewerben und Vereinen sowie zu Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und Funktionären. Im Mai 1990 wurde der “ewige Stellvertreter” neuer Chefredakteur der Fußball-Woche.
Nach dem politischen Umbruch 1989/90 verließ Günter Simon 1991 die Ostberliner “Neue Fußball-Woche” nach 30jähriger Tätigkeit. Zuvor hatte der Springer-Verlag den früheren Sportverlag der DDR übernommen. „Ich musste mir wirklich nicht vorschreiben lassen, wie Fußball geht und Zeitungen gemacht werden“, erklärte Simon seinen damaligen Entschluss gegenüber dem Online-Magazin “Potsdamer – Magazin der Havelregion” im Gespräch im November 2018.
Diese schwierige Phase seines Berufslebens bewältigte der Churchill-Verehrer unter seiner Lebens-Maxime „Learn from yesterday, plan for tomorrow, live today“ (Albert Einstein) und so war an Ruhestand nicht zu denken. Ab 1992 schrieb Simon für die „alte“ Fußball-Woche aus West-Berlin die wöchentliche Kolumne “Einwurf”. Bis zuletzt waren seine Kommentare in der FuWo von großer Sachkenntnis und immer wachem, differenziertem Blick gekennzeichnet.
Er engagierte er sich für das Gemeinwesen in seinem Heimatort Neu Fahrland. Er gab den Fahrländer Landboten mit über 100 Ausgaben heraus, gründete die Bibliothek und hob gemeinsam mit anderen den Kultur- und Sportclub 2000 Neu Fahrland aus der Taufe. Zwischen 1994 und 2002 amtierte er als Gemeindevertreter und ab 1998 bis 2002 als Stellvertretender Bürgermeister des heutigen Potsdamer Ortsteils.
Zuletzt hatten Babelsberger Fußballfreunde im Herbst 2009 die Gelegenheit, Anekdoten aus einem langen und hochspannenden Fußball- und Journalisten-Leben zu hören. Günter Simon war bei einer Buchpräsentation im Karl-Liebknecht-Stadion für den erkrankten Heinz-Florian Oertel eingesprungen. Den Nulldreiern ging das Herz auf, als Günter Simon die Zeit bei Rotation als seine schönste Zeit als aktiver Fußballer bezeichnete.
Günter Simon kämpfte lange gegen den Krebs. FuWo-Chef-Redakteur Horst Bläsig würdigte sein journalistisches Wirken und seine menschlichen Qualitäten im Nachruf der “Fußball-Woche” am 23. Dezember 2019: “Günter Simon war nicht nur ein großer Fußball-Experte, sondern ein überaus sympathischer Mensch. Er hat das Fähnlein nie nach dem Wind gerichtet – weder zu DDR-Zeiten […], noch im wiedervereinten Deutschland. Er hat immer klar Position bezogen. […] Mit Günter Simon verlieren wir einen der profiliertesten deutschen Fußball-Sportjournalisten.”
Günter Simon hinterlässt seine Frau Erika und die Söhne Thomas und Michael mit ihren Familien. Unser Beileid gehört seinen Angehörigen und Freunden. Wir werden sein Andenken in Ehren bewahren!