Handelsblatt (27.03.2014)
Das Beispiel des Sportartikelherstellers Lonsdale zeigt, wie leicht es ist, ein rechtes Image zu bekommen und wie schwer es in der Online-Welt ist, es wieder abzuschütteln. Doch der Wandel kann gelingen.
Das Verhängnis von Lonsdale liegt im Namen. Genau genommen in den vier Buchstaben in der Mitte. Die sollen der Grund dafür sein, dass der britische Sportartikelhersteller in den 1990er Jahren plötzlich großen Zuspruch bei Neonazis erhielt. Denn die trugen über ihren Lonsdale-Shirts gerne eine Bomberjacke, sodass lediglich die Buchstaben „NSDA“ zu sehen waren – in der rechten Szene eine Anspielung auf die nationalsozialistische NSDAP. Seitdem hat die britische Firma mit einem braunen Image zu kämpfen.
Wie Lonsdale ist es auch anderen Marken ergangen. Firmen wie New Balance, Fred Perry oder Dr. Martens hatten ebenfalls bereits Probleme mit einem politisch aufgeladenen Image.
Und wenn man einmal in die rechte Ecke gedrängt wurde, ist der Weg von rechts nach links steinig. Das Internet macht es den Firmen noch schwerer: Suchmaschinen wie Google machen sich nichts aus Zeit und Datum. So auch bei Lonsdale: Bei den Suchergebnissen kramen sie immer mal wieder Bilder von Neonazis in Lonsdale-Kleidung heraus – auch, wenn die Fotos schon 20 Jahre alt sind.
Der britische Sportartikelhersteller gilt bei vielen auch deswegen nach wie vor als Nazi-Marke. Zwar geht das Bekleidungsunternehmen seit Jahren gegen dieses Vorurteil vor. Doch der Erfolg ist noch gering. Zwei neue Kooperationen sollen das nun ändern: Die Marke will künftig zwei neue Fußballvereine ausrüsten. Und zwar zwei kleine, linksorientierte Fußballvereine: den SV Babelsberg 03 und Roter Stern Leipzig.
Bereits seit rund 15 Jahren kämpft Lonsdale gegen sein rechtes Image an. Es dauerte bis Ende der 90er, bevor sich die Firma des Problems mit der neuen Klientel annahm. Mit der Kampagne „Lonsdale loves all colours“ im Jahr 2004 unternahm das Unternehmen einen beherzten Versuch, das Ruder herumzureißen. Ein Jahr später sponserte Lonsdale den Christopher Street Day und engagierte sich für die Kampagne „Laut gegen Nazis“. Zudem stoppte der britische Kleidungshersteller die Lieferung an Läden der rechten Szene.
Die Maßnahmen zeigten Wirkung. In Sachsen brach der Umsatz zeitweise um bis zu 75 Prozent ein, deutschlandweit waren es gut 35 Prozent. Auf diesen Umsatz verzichte man gerne, heißt es vom Unternehmen. Und von der „ökonomischen Talsohle“ habe man sich inzwischen auch ein wenig erholt. Bis die Marke wieder die alten Umsätze erreicht, wird es aber wohl noch eine Weile dauern.
Steve Jobs als Markenbotschafter
Die Zahlen zeigen, dass auch 2014 der Wandel noch nicht komplett vollzogen ist. Mit seinen neuen Deals im Fußball will Lonsdale nun erneut ein Zeichen setzen. Denn trotz des „Wissens um das Engagement“ gebe es derzeit noch eine „gewisse emotionale Barriere, die Marke zu tragen“, räumt Lonsdale in Deutschland ein. In breiten Teilen der Gesellschaft sei der Imagewandel zwar bekannt. „Das Problem ist, dass das Wissen eben eine rationale Sache ist, die Kaufentscheidung jedoch emotional bestimmt ist“, sagt ein Sprecher.
Anders sehe es bei denjenigen aus, die sich „aus sportlichen, subkulturellen oder politischen Gründen“ intensiv mit der Markengeschichte befasst hätten. „Hier spüren wir die geringsten Berührungsängste. Weder beim SV Babelsberg noch beim Roten Stern Leipzig war Überzeugungsarbeit zu leisten.“
Wie ein Imagewandel funktionieren kann, lässt sich am Beispiel der Marke New Balance erzählen. Die Schuhe des US-Herstellers zeichnen sich durch ein „N“ aus. Rechtsextreme gaben diesem Buchstaben die Bedeutung „National“ oder auch „Nationalsozialistisch“. Schnell hatte eine eigentlich unpolitische Marke einen braunen Anstrich. Wie auch andere Konzerne reagierte der US-Hersteller zunächst nicht. Erst 2002, als die „Bild“ ein großflächiges Foto eines Glatzköpfigen in New-Balance-Schuhen druckte, dachte das Unternehmen um.
Auch New Balance nahm seine Produkte aus den Regalen der Geschäfte der rechten Szene. Der Konzern engagierte zudem den dunkelhäutigen MTV-Moderator Patrice Bouédibéla als Markenbotschafter. Zu Hilfe kam auch ein eher zufälliger Träger des Schuhwerks: Als Apple mit dem iPod und dem iPhone groß wurde, gab es kaum eine Veranstaltung, auf der Steve Jobs nicht mit seinen New-Balance-Schuhen aufkreuzte. Das erklärt wohl auch, warum die Marke heutzutage von Hipstern statt Neonazis getragen wird.
Dass Modemarken überhaupt ein braunes Image bekommen, liegt auch an der Art, wie sie mit den ersten Problemen dieser Art umgehen. Viele Konzerne ignorieren das Thema erstmal, weil eine Positionierung – egal in welche Richtung – auch förderlich sein kann. „Menschen, die einen nicht mögen, sind ein Treibstoff“, erklärt Klaus-Dieter Koch, Geschäftsführer der Managementberatung Brand Trust. Manche nehmen die steigenden Umsatzerlöse daher zunächst einmal gerne mit. Deshalb seien die Marken an ihrer jeweiligen Politisierung auch nicht ganz unschuldig, so Koch.
Abgeschreckte Kunden
Probleme bekommen die Marken, wenn die Politisierung zu stark in die Öffentlichkeit dringt – eben durch Fotos oder Fernsehausschnitte. Denn das schreckt den normalen Kunden ab. Eine rechte Orientierung ist im Gegensatz zu einer linken stärker vorbelastet in Deutschland.
Ähnliche Erfahrungen wie Lonsdale und New Balance hat auch Fred Perry gemacht. Bei der britischen Modemarke gefiel den Neonazis der Lorbeerkranz und die teils rot-weiß-schwarzen Kragen der Poloshirts – die Farben des Dritten Reichs. Was vielen in der Szene offenbar nicht bekannt war: Der Tennisspieler Fred Perry, nach dem die Marke benannt ist, war Jude. Der Hersteller distanzierte sich dementsprechend von dem rechten Image und unterstützt antirassistische Aktionen. Trotzdem vertreibt er seine Marke weiterhin auch über den neonazistischen Versandhandel.
Allerdings gibt es eine Grenze zwischen einer politisierten Marke und Marken, die von vornherein Politik machen wollen. So ist die bei Rechtsextremen beliebte Marke Thor Steinar etwa auch in der Szene gegründet worden – ähnlich wie Consdaple oder Troublemaker. Zudem werden sie hauptsächlich in dieser Szene getragen. Für Simone Rafael, verantwortlich für die Webseite „Netz gegen Nazis“ der Amadeu Antonio Stiftung, gibt es einen Unterschied, ob eine Marke ausschließlich in der Neonaziszene oder auch in anderen Subkulturen getragen wird.
Auf Anfrage distanziert sich Thor Steinar von „politischem Extremismus“. Die Marke würde nicht nur von der rechten Szene, sondern auch von anderen getragen. Anders ließe sich ein so großer Kundenkreis nicht erklären. Zudem prüfe man nicht die „Gesinnung“ seiner Kunden, so Thor Steinar. In der breiten Öffentlichkeit wird das Bild des Herstellers anders gesehen. Sowohl im Bundestag als auch im einigen Landtagen ist das Tragen der Marke verboten.
Prävention ist besser als Nachsorge
Auch Lonsdale und Fred Perry waren bereits von Verboten betroffen, die aber inzwischen zurückgenommen wurden – weil sich die Marken von rechtem Gedankengut distanziert haben. Noch besser, als dies im Nachhinein zu machen, wenn der Name schon in rechtsextremen Zusammenhängen auftritt, ist die Prävention.
Rafael von „Netz gegen Nazis“ empfiehlt Unternehmen deshalb, sich offensiv zu positionieren, um die rechte Ecke von Anfang an zu meiden. Alles andere wird teuer: Ein wirksamer Imagewandel funktioniere nur, wenn die Öffentlichkeit auch etwas davon mitbekommt – und das koste Geld, meint Marketingexperte Dominic Multerer.
Lonsdale hat einen fünfstelligen Betrag in das Engagement bei Babelsberg investiert – auf Anfrage des Vereins. Unter Linken ist Lonsdale inzwischen wieder salonfähig, auch wegen der klaren Haltung gegen Nazis. Auch bei Babelsberg gab es nach Angaben des Vereins kaum Gegenstimmen gegen den neuen Ausrüster.
Nach Meinung des Marketingexperten Multerer reicht das Engagement des britischen Sportartikelherstellers aber noch nicht. Er argumentiert, dass die Marke sehr öffentlichkeitswirksam mit Nazis in Verbindung gebracht wurde – und genau so öffentlichkeitswirksam zurückschlagen müsse. „Wenn meine Marke groß in der Tagesschau auf dem Rücken von Hooligans gezeigt wurde, dann reicht es nicht, einen kleinen Verein wie den SV Babelsberg sponsern. Ich muss mindestens genauso stark sichtbar sein, wie die Negativ-Schlagzeilen, welche mich überkommen, um standhalten zu können“, sagt Multerer.