Seit 2008 findet das „Siempre Antifascista Festival“ jährlich in Berlin statt. Jedes Jahr bemühen sich alle Beteiligten – ob Organisatoren_innen oder Künstler_innen – aufs Neue darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich das antifaschistische und emanzipatorische Selbstverständnis sowohl im musikalischen Angebot des Festivals als auch in dessen inhaltlicher Ausrichtung spiegeln.
Linke Spassverderber_innen?
Ein antifaschistisches Musikfestival ist kein Marx-Lektürekurs, keine Parallelwelt für Eingeweihte, zu der nur diejenigen Zugang erhalten, welche sich an starre Regeln halten – das „Siempre Antifascista“ ist vor allem ein subkulturelles Event. Seit mehreren Jahren vertritt es nach innen und außen den Anspruch, dass Politik eben nicht dort aufhört, wo die Party anfängt. Die Verbindung zwischen subkultureller Musik und den antifaschistischen Inhalten, die sie transportiert, bekanntmacht und zum Gemeinschaftserlebnis werden lässt, blickt auf eine gewisse Geschichte in vielen Teilen der Welt zurück und hat einen nicht zu unterschätzenden subversiven Gehalt. Bis heute sind subkulturelle Punk-, Hardcore- und Hiphop-Konzerte für junge Menschen ein erster Berührungspunkt mit antifaschistischen und emanzipatorischen Inhalten. Solche Musik-Events bieten eine Basis sein für den Austausch mit Gleichgesinnten aus verschiedenen Gegenden und können niedrigschwellig für antifaschistische und libertäre Themen sensibilisieren und begeistern. Außerhalb der großen Metropolen sind selbstorganisierte Konzerte und Festivals oftmals die einzigen kulturellen Angebote und ermöglichen mit ihrem unkommerziellen Selbstverständnis die Beteiligung junger Menschen – abseits vom kommerziellen, populären Mainstream.
Musik und politischer Kampf
Dass subkulturelle Events tatsächlich mehr sind als eine angenehme Art, für wenig Geld zu guter Musik zu feiern, wird nicht zuletzt dort offenbar, wo Menschen für ihr Bekenntnis zu emanzipatorischen Subkulturen ihr Leben lassen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Genoss_innen in ganz Europa aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu antifaschistisch geprägten Subkulturen – die häufig einher ging mit politischem Aktionismus – von Neonazis ermordet. Nicht zufällig geschahen viele der Morde in räumlicher und zeitlicher Nähe zu subkulturellen Musikevents.
Doch Neonazis haben antifaschistische Subkulturen nicht nur zu ihrem Feindbild erkoren, dessen Vernichtung sie anstreben. Seit mehreren Jahren kopieren rechte Bewegungen deren Auftreten und ihre musikalische Ausrichtung, nur Symbolik und Inhalte werden dem völkischen und menschenverachtenden Weltbild angepasst.
Ob erklärtermaßen rechte Festivals, auf denen einschlägig bekannte Nazi-Bands ihre Hass-Ideologien propagieren oder rechtsoffene Events, die neben vermeintlich “unpolitischen” Bands auch Patriot_innen und Rassist_innen eine Plattform bieten – rechte und konservative “subkulturelle” Angebote und Musiknetzwerke erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit und werden von den Beteiligten als Vernetzungs- und Rekrutierungsplattformen genutzt. Bands der politischen Grauzone mit Hang zu reaktionären Weltbildern sind längst in den Charts und im musikalischen Mainstream angekommen. So können sie ihre Inhalte offen verbreiten und gesellschaftsfähig machen.
Musikalische Subkulturen, die sich dieser Entwicklung gegenüber nicht nur blind stellen, sondern sich sogar als „unpolitisch“ positionieren, verkennen die Gefahr, die von rechten Musiknetzwerken und Grauzonen-Bands ausgeht. Der Verzicht auf gewisse emanzipatorische Standards wie Antisexismus und Antirassismus innerhalb musikalischer Zusammenhänge bietet rechtem Gedankengut und Hassideologien ein äußerst willkommenes Einfallstor und weiteres Mobilisierungspotential.
Antifaschistische und links geprägte Subkulturen hingegen müssen sich ihrer großen Bedeutung stärker bewusst werden. Sie stellen nicht nur die einzige Kraft hinter dem konkreten Kampf gegen reaktionäre Inhalte in Musik und Subkultur dar. Durch kontinuierliche Aufklärungsarbeit und Information über rechte und Grauzonen-Bands – vor allem außerhalb des eigenen subkulturellen Rahmens – gilt es zudem, deren weitere Ausbreitungsversuche einzudämmen und zu verhindern.
Nicht zuletzt ist es Aufgabe und Merkmal antifaschistischer Musik-Events, selbst Anreiz und Begeisterung bei allen Beteiligten und vor allem Spaß an der Sache wecken. Sie sind selbstorganisierte, solidarische und emanzipatorische Veranstaltungen – Orte des entspannten, gemeinsamen Feierns zu geliebter Musik.
Gefeierte Solidarität
Zu den wichtigen Besonderheiten des „Siempre Antifascista Festivals“ und anderer antifaschistischer Events gehört nicht nur das Bewusstsein, eine angenehme Party für alle zu ermöglichen – der Versuch einer vorübergehenden, aber ernsthaften Pause für sexistische, rassistische, homophobe und andere Diskriminierungsarten, die uns alltäglich überall begegnen und einschränken.
Zudem versteht sich das Festival, wie auch andere politische Musik-Veranstaltungen, als wichtige Plattform für gelebte Solidarität – über alle Grenzen hinweg. „Siempre Antifascista“ setzt einen wichtigen Akzent auf internationale und antinationale Vernetzung und Solidarisierung antifaschistischer Aktiver in der ganzen Welt. Das Festival und die Konferenzen der Vorjahre sind auch Ausdruck und Ergebnis von Austausch mit Aktivist_innen weltweit und der gegenseitigen Unterstützung unserer gemeinsamer Kämpfe.
Musik ist ein Kommunikationsmittel, das sich über alle geographischen und sprachlichen Barrieren hinwegsetzt und Menschen miteinander verbindet, die gleiche Ideen und Ziele teilen. Gemeinsames Feiern bringt uns näher zusammen und stärkt uns im politischen Kampf. Nicht zuletzt ist es zudem praktisch gelebte Solidarität: auch dieses Jahr gehen alle Einnahmen des Festivals als Unterstützung an antifaschistische und libertäre Bewegungen.
Für Solidarität und internationale Vernetzung! Für eine emanzipatorische, antifaschistische Subkultur – weltweit!
Siempre Antifascista – antifascist struggle worldwide!
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An dieser Stelle nochmals das Lineup für das Siempre Antifascista Festival 2013:
Freitag 15.11.2013
The Not Amused (Finest Powerpop aus Berlin)
Trouble Orchestra (Rap und Gesang, von Hip Hop bis Post-Rock aus Hamburg)
Ämbonker (Raw And Pissed Off Hardcore Punk aus München)
Kira Kanoa (Antifascist Hardcore Punk aus Neuruppin)
Eastie rO!s (Punk)
Antinational Embassy (Songs of the Refugee Protests)
Samstag 16.11.2013
Artifical Eyes (Antifascist Oi! aus Stuttgart)
Kaput Krauts (Punk aus dem Ruhrgebiet/Berlin)
Pestpocken (Punkrock aus Giessen Asozial)
Man Lifting Banner (Hardcore Punk aus Amsterdam & Amersfoort)
The Oppressed (Antifascist Oi! aus Cardiff)
Veranstaltungsort: SO36
Adresse: Oranienstraße 190, 10999 Berlin
Anreise: siehe hier http://so36.de/location/
Uhrzeit an beiden Tagen: Einlass 18:30, Beginn 19:30
Kontakt: siempreantifa [at] riseup.net
*PGP siehe Kontakt*
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Nazi-Morde im November:
Kein Vergeben – Kein Vergessen!
25.11.1990 Amadeu Antonio Kiowa
7.11.1992 Rolf Schulze
13.11.1992 Karl-Hans Rohn
21.11.1992 Alfred Salomon
21.11.1992 Silvio Meier
23.11.1992 Bahide Arslan, Ayse Yilmaz, Yeliz Arslan
6.11.1994 Piotr Kania
20.11.1994 Michael Gäbler
23.11.1996 Achmed Bachir
25.11.2000 Eckhardt Rütz
26.11.2005 Tim Maier
11.11.2007 Carlos Palomino
16.11.2009 Iwan Chutorskoi